SCHALENBERG Sven
Maler und wissenschaftlicher Zeichner

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Die Künstler Detlef Böhmer und Sven Schalenberg in Brohl

ein erstes Beispiel:

 

„Papierbilder“
Bild 27 „S“
Peter Huch
29. April 2010

Privat Banking, Volksbank Neu Isenburg

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,
in dieser Ausstellung werden wir eingeladen, nicht nur zu schauen, sondern Bilder zu lesen.
Bei „Papierbilder“ denkt man meist an Aquarelle oder Zeichnungen,
was sich dann auf das Material bezieht, auf das gearbeitet wurde.
Hier nun ist aber „Papier“ der Inhalt des Bildes, gemalt mit Öl auf Leinwand oder Holz.
Dabei ist das Ding „Papier“ aber auch nur scheinbar gemeint,
denn dieses ist nochmal nur Platzhalter für noch tiefer Verborgenes.
Dahinter stehen fundamentale Prinzipien der Natur.
Es ist hier Symbol für eine ganze Welt.
Es gibt teure „Wertpapiere“ und billige Papierservierten.
Schwarz auf Weiß ist, was wir zum Beispiel der Bank anvertrauen.
Was auf dem Papier steht, das gilt, gemeinhin.
Gleichzeitig ist das bezeichnete „Billigmaterial von Pappe“ fast wertlos.
Papier ist etwas Leichtes, Zartes und somit Harmloses , ungefährlich,
mannigfaltig formbar, vielseitig verwendbar, ist nur Mittel zum fernen Zweck, ist im Grunde Geringwertiges und meistens nur Verpackung für Wertvolleres.
Wenn ich die Mengen unseres Altpapieraufkommens betrachte, denke ich, ich bin noch im Papierzeitalter.
So ist Papier omnipräsent und ambivalent, denn es ist extrem labil, empfindlich, aber auch bewahrend und bergend.

Zwei Aspekte trägt auch die Malerei von Dr. Peter Huch, denn sie hat gleichzeitig Form und Stoff, wie Schiller sagen würde. Bild 19 Diesseitiges und Jenseitiges (J840)
In der Schönheitswaage nach Schiller schaukeln sich Inhalt und formelle Gestaltung zusammen nach oben. Was in der Kunst allerdings länger dominant bleibt, ist scheinbar die gute Form.
„Gut gemeint“, oder – „gut gemacht“, lautete oft eine Kritik zu den Unvollkommeneren.
Am besten ist es aber, wenn Beides, in einer gleichwertigen Harmonie, vorkommt!
Inhalt und Form kommen in den Huch- Bildern adäquat zusammen. Bild3Evolution-Schöpfung825
Wir begegnen in diesen Bildern hier als erstes einer bestechenden Malerei.
Das Gemüt ist angetan von der zarten, liebevollen Machart.
Die Bilder von Peter Huch sind bestechend gut gemalt, was bald gefällt.
Mit großer Sorgfalt schaut Huch der von ihm inszenierten Wirklichkeit jeden Schatten und jede Falte ab und setzt dann mit dem Pinsel scharfe Wechsel des reflektierten Lichtes.
Die scheinbar banalen Bildinhalte sind aber bei näherer Betrachtung höchst anspruchsvoll.
Nun beginnt die Aufforderung an uns: zu Lesen! Bild 10 Seifenblase (J860)
Lassen Sie sich ruhig beeindrucken von den Seifenblasen. Eine unscheinbare Schnecke ist malerisch aber nicht weniger brillant. Bei solcher Bewunderung soll es aber nicht bleiben!
Denken Sie nach, was eine Seifenblase ist: Haut, Grenze, Lichtbrechung und Spiegel, Kugel und geringste mathematische Oberfläche einer Raumgröße, leicht und zerbrechlich
und so weiter, wie Sie meinen.
Andere Urformen treten hinzu. Bei der Schnecke kommen jedem leicht eigene Assoziationen.
Warum reißt wohl die Schwerkraft den Altaraufbau in dem Bild nicht auseinander?
Vielleicht weil alle profanen Dinge durch die Malerei vergeistigt werden?
Zum „Lesen“ gehören aber immer Voraussetzungen.
Man muss die Buchstaben kennen und die Bedeutung der Wörter. Eventuell noch etwas Grammatik. Dies braucht eigentlich ständige Übung und Training.
Wer kennt aber heute noch die Bildbotschaften, die einst mit Erdbeere, Eiche, Tetraeder und Oktaeder verbunden wurden. Ein wenig Zahlenmystik und die Bedeutung von Spielkarten wie Herz Dame mögen noch vereinzelt da sein. Kunstgeschichtliches Studium soll aber keine Voraussetzung sein, um sich dem Sinn zu nähern. Man sagt dazu „Ikonografie“. Farne und Farbe sind kein Zufall.
Aber Huch fordert unser eingerostetes Bildverständnis wieder neu und frisch.
Das ist wichtig!
Vielleicht denken Sie bei der Betrachtung der rostigen Lötlampe im reinen weißen Papier irgendwann an Rembrandts schlafenden Kriegsgott Mars.
Bild 9 Lötlampe (J850)


Geboren ist Peter Huch 1934, in Berlin.
Mit 15 beginnt er in den 50er Jahren ansehnliche Landschaftsaquarelle.
Über 500 Arbeiten zeugen bis heute von einem intensiven Malerleben, wovon wir hier gerade mal 5% sehen.
Die nächste Reihe der Stadt-, Straßen- und Gartenszenen nennt er Sehnsuchtsbilder.
Sie gehen bald Schritte zur Abstraktion, wie auch in der Folge stets die wache Wahrnehmung des Zeitgeistes im Malstil spürbar bleibt.
Die frühen Ölbilder zeigen vielfältige abstrakte Experimente, welche besagen, daß er immer die umgebenden Moden und Ismen wahrgenommen und begriffen hat.
Er hat die Stile bis in die 70-er Jahre eigentlich Alle probiert und durchdrungen.
Feine Federzeichnungen werden dann zu narrativen, surrealistischen Rätseln.
Bleistiftstudien führen zu den zarten Faltungen, zu Obst, Blätter, Laub, zu feinen Schatten.
Nun entwickelt er mit konstruierten Stillleben etwas Eigenes!
Das Papier wird bereits früh Thema und seitdem ist fast keines seiner Bilder ohne ein Stückchen Papier geblieben. Gefaltete Papierobjekte erscheinen Anfang der 90er Jahre und versprechen uns ein Geheimnis.
Stets zeigt er eine souveräne saubere Handschrift, in bewusst altmeisterlicher Manier, aber ohne Eitelkeit. Er hat es nicht nötig für Applaus zu brillieren, sondern setzt eine inhaltliche Botschaft vor die schöne Form.
Gegensätze ziehen sich hier an: Leichtes und Schweres, Glattes und Stumpfes, Steifes und Weiches, Kompaktes und Filigranes, Anfang und Ende, A und O.
Mit zugesetzten, oft verfremdenden Gegenständen kommt Huch zu seinem eigenen Symbolismus.
Soweit kommt er durch Mischen der Farben auf der Palette.
Lasuren und mehrschichtige, altmeisterliche Farbschichtenplanung lernt er dann bei dem Maler Schalenberg in Mainz. Nun mischen sich die Farben auch noch innerhalb des Bildes und später dann im Auge des Betrachters.
Bild 23 Das Fest der Dreiteilung (J0920)
Den Naturwissenschaftler und Geometer Huch interessieren Mathematik, Aggregatzustände und Energie, Form und Symbol, Geheimnis, Geometrie und BauKonstruktionen, optische und Physikalische Phänomene – die Gesetze der Natur. Dazu benutzt er seinen Protagonisten: Papiergefaltetes.
Wir sehen alle erdenklichen Formen, die Papier bietet: gefaltetes, geknülltes, gerissenes Papier, mal farbig, mal bedruckt, als Schachteln und Hülle. Das Element wird in allen seinen stofflichen Möglichkeiten ausgelotet. Es steht für etwas anderes, ein Schild, ein Anzeiger, wie seine Fähnchen.
Blätter und Lettern, Fähnchen und Stangen, Banner, Wappen und Briefe dienen als Darsteller in den gebauten Stillleben und erzählen nun konstruierte Aussagen.
Und stets ist es eingebunden in eine bescheidene Stillebensituation, wie sie jeder kennt.
Gerne löst der Mensch Rätzel. Rätsel
Es ist schön zu erkennen, dass es neun Fähnchen braucht, um die Ecken des Pythagoras zu markieren. Quadratzahlen verstecken sich vermutlich in den Kärtchen nebendran.
Was bedeuten aber die fünf Früchte im Vordergrund?
Vielleicht Vergänglichkeit, vielleicht Unberechenbarkeit – Wir wissen es nicht!
Mit diesem Spruch will das Bild mit dem Schädel uns unsere Grenzen zeigen.
Bild 22 Pythagoras (J0900)

Lassen sie mich enden mit einem Lieblingsbild: Bild 20 Eichenzweig (J0670)
Irgendwo sehe ich etwas Deutsches, sehe ich Schwarz-Rot-Gold, sehe Handwerk und das Material dazu, in Spannung und Haltung. Einen Schneckenbogen gibt das Papier, das noch unbestimmt seiner Aufgabe wartet. Ich sehe Kreuz und Holz, Metall und Gewinde. Der Schlüssel dazu ist alt.
Ein Grün-Rot-Komplementärkontrast kommt durch das Eichenlaub hinzu,
gefangen von der doppelten Auffächerung der Werkzeuge, im formellen Spiegel zum Gelege der Schlüssel.

Dr. Peter Huch ist ein Seher, der die optische Welt intensiv inhaliert, um sie im freien Spiel wieder herauszulassen.
Der gebildete Mensch soll ein Spieler sein, fordert Schiller.
Huch hat häufig Karten gemalt.
Von der Pik Sieben bis Karo Ass tragen sie Alle ihre geheimen Bedeutungen.
Huch, da ist ein Spieler, der sich nie ganz in die Karten schauen lässt,
der Geist wecken will, der Kultur gewinnen will.

Immer noch einen Trumpf am Schluss halten!

Dem Papier zu Ehren.


Sven Schalenberg, Hahnheim, 29. April 2010

 

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